Nicht gerade das größte Sexappeal, aber wichtig

Am Sonntag finden die Kommunalwahlen statt! „Herr Lotz, nerven Sie jetzt nicht mit Ihrem Wahlkampfgebabbel“, mag sich der eine oder andere denken. Gut, ich verspreche Ihnen, dass ich diese Kolumne – die mir mittlerweile ans Herz gewachsen ist – für Wahlwerbung nicht missbrauchen werde. Erlauben Sie mir jedoch, dass ich ein paar Worte zur Bedeutung der Kommunalwahl verliere.

Schauen Sie sich doch mal bitte die vor Ihnen liegende Zeitung genauer an. Das Format der Kinzigtal-Nachrichten nennt sich „Berliner Format“. Eine einzelne Seite ist 31 cm breit und 45,5 cm hoch. Dieses Format gilt als sehr handlich und nimmt nicht direkt den ganzen Frühstückstisch ein. Aufgeschlagen hat die Zeitung folglich eine Breite von 62 cm (für diese mathematische Glanzleistung erwarte ich übrigens keinen Applaus). Legt man nun den Wahlzettel für die Kreistagswahl über die aufgeschlagene Zeitung, wird kein Zipfelchen der Kinzigtal-Nachrichten mehr erkennbar sein. 84,1 cm Höhe und 59,4 cm Breite braucht man, um alle Kandidaten für den Kreistag auf einem Wahlzettel unterzubringen.

Noch ein paar Zahlen zur Wahl: wenn ich am Sonntag wählen gehe, dann dürfte ich theoretisch 127 Kreuzchen machen. 87 Kreuze für die Kreistagswahl. 33 Kreuze für die Wahl des Steinauer Stadtparlaments. 5 Kreuze für den Ortsbeirat in meinem Heimatort Marjoß. Landrat und Volksabstimmung erhalten ebenfalls jeweils ein Kreuz. Wie gesagt: Theoretisch. Praktisch kann ich nach 5 Kreuzchen die Wahlkabine wieder verlassen.

Einige von Ihnen fragen sich jetzt bestimmt: Muss das denn alles so umständlich sein? Ich sage: Ja, es muss! Leider.

Denn es hindert viele Menschen daran, ihr Wahlrecht wahrzunehmen. Dabei ist die Kommunalwahl die wichtigste aller Wahlen. Schließlich wählen Sie Ihre Nachbarn. Sie wählen die Menschen, die über Dinge abstimmen, die Sie unmittelbar betreffen. Da geht es nicht um den Außenminister, der bei einem Auslandsbesuch einen umgefallen Sack Reis kommentiert, sondern um den Nachbarn, der gerade über die Kosten für die Müllabfuhr, den Kauf einer Wasserrutsche oder die Ausrüstung der Freiwilligen Feuerwehr abstimmt.

Deshalb ist es auch so wichtig, dass Sie zur Wahl gehen!

Vor fünf Jahren fand die letzte Kommunalwahl statt. Im gesamten Bergwinkel lag die Wahlbeteiligung damals bei weit unter 50 Prozent. Nicht einmal jeder Zweite ging folglich wählen! In Fulda (36,2 %) oder in Hanau (35,2 %) war es sogar noch schlimmer.

Erste Versuche in Deutschland frei wählen zu dürfen und damit einen demokratischen Staat zu gründen, wurden 1849 gewaltsam niedergeschlagen. Otto von Bismarck führte 1867 (aus egoistischen Gründen) das Wahlrecht ein. Erst durften nur die Männer, 52 Jahre später dann endlich auch die Frauen wählen. Richtig demokratisch und frei wurde das Ganze dann 1949, als die Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde. Hundert Jahre dauerte es in Deutschland, bis demokratische Wahlen – so wie wir sie kennen – durchgeführt wurden. Viele mutige Männer und Frauen haben hierfür ihr Leben riskiert oder verloren.

Mit Blick auf Nordafrika wird deutlich, dass auch heute noch Menschen für dieses Recht alles riskieren. Sie kämpfen für das Recht, frei und demokratisch bestimmen zu dürfen, wer in den Rathäusern und Parlamenten das Sagen hat. Der Satz „die da oben machen doch sowieso was sie wollen“ bekommt hier eine ganz andere Bedeutung. Ja, auch ich ärgere mich über viele Politiker und sage das auch häufig. Aber ich habe das Recht darauf, mich zu ärgern und ich habe das Recht darauf, mitzumischen. Das ist in unserer Welt nicht selbstverständlich.

Auch wenn die Kommunalwahl nicht gerade die Wahl mit dem größten Sexappeal ist, ist es doch die Wahl, die jeden einzelnen Menschen am ehesten betrifft. Deshalb fordere ich Sie auf, für dieses Recht zu kämpfen. Ich fordere Sie auf, sich einzumischen. Wer sich einmischen möchte, muss wählen gehen. So einfach ist das! Gehen Sie wählen.