
Der Hessische Rundfunk befragte kürzlich die Tochter des ersten Opfers der sogenannten Dönermorde, einem Blumenhändler aus Schlüchtern. Die junge Frau berichtete über 11 Jahre der Ungewissheit, seit der Vater an seinem mobilen Blumenstand in Nürnberg ermordet wurde. Es fehlte jeder Hinweis auf die Täter oder gar ein Motiv. Schlimmer noch: die Familie selbst stand unter Mordverdacht. Die Opfer wurden zu Tätern gemacht. Nun stellt sich heraus, dass rechtsradikale Terroristen den Mord begingen. Hätte ein Psychopath diese Tat begangen, wäre es leichter gewesen es zu akzeptieren, sagte sie dem Radiomoderator. Es ist bedrückend, dass diese Taten vermutlich hätten verhindert werden können. Meine Gedanken sind bei den Opfern und deren Familien.
Als Politiker muss ich mich leider häufig mit Rechtsextremismus auseinander setzen. Immer wieder steht die Frage im Raum, wie man mit der Thematik umgeht. Nichts zu unternehmen ist der größte Fehler, aber man will den Nazis auch keine Plattform schaffen. Und wo fängt Rechtsextremismus eigentlich an? Beginnt es beim Armheben oder bei den Thesen eines Sarrazins? Die rechten Gewalttaten werden von der Mitte der Gesellschaft bestimmt nicht akzeptiert, aber was ist mit ausländerfeindlichem Gedankengut – mit dem „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“?
Die Terroristen haben ihren ideologischen Ursprung in einer Kameradschaft. Ermittlungen haben ergeben, dass sie gar bundesweit untereinander vernetzt sind. Solche Kameradschaften sind straff organisiert und schulen sich rechtsideologisch. Auch im Main-Kinzig-Kreis! Es gibt bei uns eine Kameradschaft, die vor allem als Helfer der NPD in Erscheinung tritt. Sie werben auf gemeinsamen Flugblättern, die optisch einen harmlosen Eindruck vermitteln sollen (der jährliche braune Weihnachtsgruß steht gewiss an), jedoch vor rechter Rhetorik nur so strotzen. Machbare Lösungen auf konkrete Probleme unserer Zeit wird man dort vergeblich suchen. Ihre Parolen verbreiten sie dabei öffentlich – sie sind schließlich nicht verboten. Wir Sozialdemokraten fordern seit langem ein Verbot der NPD und ich bin mir sicher, dass es uns irgendwann gelingen wird. Aber ob verboten oder nicht müssen wir uns fit machen, um diesem Wahnsinn selbstbewusst zu begegnen. Die Taten der Terroristen sollten uns klar machen, dass rechtsradikale Parolen kein Kavaliersdelikt sind und nicht verharmlost werden dürfen. Wir dürfen nicht leugnen, dass auch bei uns eine organisierte Neonazi-Szene existiert. Ich kenne den Main-Kinzig-Kreis als eine Region mit toleranten Menschen. Das werden wir den Nazis jederzeit beweisen!
Es gibt keine Patentlösung gegen Rechtsextremismus. Jede Situation muss von neuem bewertet und behandelt werden. Sollten Sie einmal Probleme mit Rechtsextremismus haben, empfehle ich Ihnen dringend, sich Verbündete zu suchen. Sie müssen so etwas nicht alleine durchstehen. Reden Sie mit Ihren Freunden oder Nachbarn. Scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Alleine das Land Hessen bietet einige Anlaufstellen, die ich nur empfehlen kann. Das Beratungsnetzwerk Hessen bietet eine schnelle und professionelle Beratung gegen Rechtsextremismus. Für Jugendliche, die aus der rechten Szene austeigen wollen oder betroffene Eltern gibt es das Projekt „Rote Linie“. Für Erwachsene, die aus der rechten Szene abspringen möchten, bietet die Initiative „Ikarus“ anonym seine Hilfe an (Hotline 0611-835757).
Es ist unverzeihlich, dass bereits vor vielen Jahren ein rechtsradikaler Zusammenhang mit dem Mord an den Blumenhändler aus Schlüchtern hätte hergestellt werden können. Die junge Frau, die dieses bewegende Radiointerview gab, hätte längst aus einer grausamen Ungewissheit geholt werden können. Wir stehen in der Pflicht, alles zu unternehmen, um solche Taten in Zukunft zu verhindern. Lassen Sie uns gemeinsam für einen toleranten Main-Kinzig-Kreis aufstehen. Nicht erst dann, wenn etwas Furchtbares passiert ist, sondern jederzeit. Es lohnt sich unsere Demokratie immer wieder neu vor Rechtsradikalen und deren Gedankengut zu verteidigen!