Kolumne Heinz Lotz zu Strompreis

Heinz Lotz, Mitglied des Hessischen Landtags

Oh je, da ging es vergangene Woche wieder heiß her im Hessischen Landtag. Ministerpräsident Volker Bouffier musste persönlich eingreifen, um Umweltministerin Puttrich vor dem neuen Wirtschaftsminister Rentsch zu schützen. Und das, obwohl sich Bouffier noch Anfang vergangener Woche öffentlich gegen die Pläne seiner Ministerin äußerte. Es ist wirklich unangenehm, wenn man als Oppositionspolitiker das Gefühl bekommt, eine Ministerin der anderen Partei vor ihren eigenen Leuten verteidigen zu müssen. „Na, Herr Lotz, um was geht‘s eigentlich“, mag sich nun der ein oder andere fragen. Es geht um unsere Stromrechnungen. Die seien nämlich laut Rentsch und Bouffier wegen den „Öko-Subventionen“ zu hoch, während die Umweltministerin die Energiewende umsetzen muss, wie es beim hessischen Energiegipfel eigentlich abgesprochen wurde.

Strom darf kein Luxusgut werden. Stimmt. Ebenfalls wird häufig von der „Sozialverträglichkeit“ des Strompreises gesprochen.  Ministerpräsident Bouffier warnt davor, durch hohe Strompreise die deutsche Wirtschaft abzuwürgen oder die Menschen auf offenen Stromrechnungen sitzen zu lassen. Von Energiearmut ist die Rede. Die Beseitigung der Energiearmut bis 2018 ist gar ein Ziel der britischen Regierung. In den USA gelten 16 Millionen Haushalte und in Neuseeland gar jeder vierte Einwohner als Energiearm. Ups, das passt nicht ins Bild, denn in diesen Ländern werden die Atommeiler nicht abgestellt und die erneuerbaren Energien nicht gefördert. Dabei sind das doch laut Rentsch und Bouffier die Hauptgründe deutscher Energiearmut.

Verstehen Sie, worauf ich hinaus will? Es stimmt etwas an dieser Energie-Debatte nicht. 2010 sind bundesweit 600.000 Haushalten der Strom abgestellt worden, weil er nicht bezahlt werden konnte. Das ist eine alarmierende Zahl. 2006 – also zwei Jahre zuvor – waren es 800.000 Haushalte. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates (Kurt Lauk) erklärte kürzlich, zur Altersarmut käme nun auch eine „staatlich verordnete Energiearmut“. Wo war dieser Kommentar im Jahr 2006, als noch alle AKW am Laufen waren und 800.000 Haushalte bundesweit keinen Strom hatten? Da sprach noch keiner von E.ON und Co. über Energiearmut oder Strom-Soli. Erst jetzt, wo es den fossilen Großkraftwerken an den Kragen gehen soll, entdecken einige plötzlich ihre Fürsorge für finanziell benachteiligte Menschen.

Und noch etwas: ein Unterschied zwischen Erneuerbaren Energien und konventionellen Energie (Atom und Kohle) ist, dass ein Großteil der staatlichen Förderungen nur bei den Erneuerbaren transparent im Strompreis ausgewiesen sind. Nicht jedoch bei Kohle und Atom. Erneuerbaren Energien wurden bislang mit 54 Milliarden Euro subventioniert. Wenn Ihnen diese Zahl hoch erscheint, sollten jetzt lieber in Deckung gehen: Fossile Energieträger wurden in Deutschland seit 1970 mit 429 Milliarden Euro subventioniert. Aua.

Gleichzeitig kam nun heraus, dass die stomintensive Industrie durch den Ausbau Erneuerbarer Energien fast 600 Millionen Euro einspart. Zum einen wurden sie bei der EEG-Umlage weniger belastet, zum anderen haben Wind- und Solarstrom die Börsenstrompreise sinken lassen. Und den Löwenanteil des Strompreises sackt immer noch die Stromwirtschaft ein. Und dann tritt E.ON Chef Johannes Teyssen, der 2011 über 4,5 Millionen Euro verdiente, mit betroffener Miene vor die Medien und erklärt, es müsse ein Strom-Soli her. Entschuldigung, liebe Leute, bei solchen Zusammenhängen zerkaue ich vor lauter Frust meinen Bleistift kurz und klein.

Ein wirklicher Strom-Soli wäre es, wenn man all seine Kraft in die Verhinderung des Klimawandels steckt. Wen erwischt es bei Naturkatastrophen oder Energiepreisexplosionen am meisten? Es trifft diejenigen, die sich bereits 2006 die Stromrechnung nicht leisten konnten. Die Verknappung fossiler Rohstoffe wird unweigerlich zu einer Kostenexplosion führen. Je früher wir also auf Erneuerbare Energien umsteigen, desto besser. Schade nur, dass wir die heiße Luft im Landtag nicht zur Stromgewinnung nutzen können.