
Und weil wir Landtagsabgeordneten davon offensichtlich nicht genug bekommen können, haben wir uns am Freitag, während der letzten Landtagssitzung dieses Jahres, noch einmal gestritten wie die Kesselflicker. Besonders emotional und heiß her ging es beim Thema Bildung. Ein trauriger Höhepunkt war, als der FDP-Abgeordnete Döweling engagierte Eltern beschimpfte. Er beklagte sich allen Ernstes, dass er mitten in der Nacht E-Mails von Eltern erhalte, die sich Sorgen um ihre Kinder machen. Wie bitte? Der arme Abgeordnete wird mitten in der Nacht von seinem E-Mail-Programm geweckt, weil es gewagt wird, ihm zu dieser Zeit, in der wir Politiker doch tief und fest schlafen, heimtückisch eine E-Mail mit Sorgen zu senden. Unerhört! Wenn die Sache nicht so ernst wäre, müsste man darüber lachen.
Auch ich erhalte seit einigen Tagen dutzende Zuschriften besorgter Eltern, die sich für eine Rückkehr zur sechsjährigen Mittelstufe einsetzen. Um wie viel Uhr mich E-Mails erreichen ist mir natürlich Schnurz. Hinzu kommt, dass mich diese Schreiben auch deshalb nicht stören, da ich mit den Eltern bei diesem Punkt einer Meinung bin. Seit der G 8 Reform wurden in ganz Hessen unsere Kinder zu Versuchskaninchen für die Schulpolitik der Landesregierung gemacht. Die Verkürzung der gymnasialen Mittelstufe war, ist und bleibt der falsche Weg. Die Landesregierung hat nun mit ihrer Mehrheit das Schulgesetz beschlossen – inklusive Wahlrecht für G 8 oder G 9. Sie werden die Debatte über ihre verkorkste Schulpolitik damit jedoch nicht beenden.
Natürlich sind unsere Kinder durchaus in der Lage, auch bei einer verkürzten Schulzeit gute Noten abzuliefern. Wir dürfen aber nicht unsere Kinder darauf reduzieren, welchen Notendurchschnitt sie beim Abi erzielen. Die alte Forderung, nicht für die Schule, sondern für das Leben zu lernen, hat für mich noch immer Bestand. Das mag auch der Grund sein, weshalb ich mich für eine konsequente Rückkehr zu G 9 engagiere. Schule hat die Aufgabe, auf das Leben vorzubereiten, zu helfen, eine Persönlichkeit zu entwickeln. Wir müssen unseren Kindern, besonders in der schwierigsten Phase des Erwachsenwerdens, Zeit und Raum bieten. Die sechsjährige Mittelstufe sollte als Chance gesehen werden, die Persönlichkeitsentwicklung jedes einzelnen Kindes in den Vordergrund zu stellen. Es sollte sich am Ende entscheiden, ob das Abitur nach 12, 13 oder 14 Schuljahren gemacht wird. Das wäre eine echte, individuelle Wahlfreiheit.
Am Freitag hat der Hessische Landtag beschlossen, den Gymnasien die Wahl zu lassen, ob sie G 8 oder G 9 wollen. Anstatt das sich die Landesregierung eingesteht, mit der G 8-Reform einen Fehler begangen zu haben, wird nun die Verantwortung auf die Gymnasien gewälzt. Das halte ich nicht für fair. Als ebenfalls unfair halte ich die Verweigerungshaltung der Landesregierung, den jetzigen 5. Klassen eine Rückkehr zur sechsjährigen Mittelstufe einzuräumen. Wen das ebenfalls zornig macht, der hat im Internet eine gute Möglichkeit etwas zu unternehmen: Unter www.g9wahl.de kann man sich mit wenigen Klicks an der Petition „G9 an Gymnasien auch für bestehende Klassen 5 und 6“ beteiligen. Seit Freitag unterstützen mittlerweile rund 5.000 Menschen dieses Anliegen. Aber bitte, beteiligen Sie sich nicht nachts, denn da schlafen einige Abgeordnete der FDP noch!
Um 14.30 Uhr beendete der Landtagspräsident die letzte Sitzung dieses Jahres. In seinen Schlusssätzen betonte er, dass der Hessische Landtag ein Parlament ist, das ernsthaft tagt, streitet und hitzig ist. Manchmal geht es während einer Sitzung auch sehr polemisch vor. Dann wiederum wären wir Abgeordneten in Sitzungen sehr freundlich, fröhlich und gelassen. Ausdrücklich gab er zu Protokoll, dass es Menschen ohne Humor in der Politik schwer haben. Er sagte, dass im Landtag sämtliches menschliches Gefühlsleben vorhanden sei. Eben deshalb seien wir Abgeordneten die Volksvertreter. Ich schließe mich seinem Rat an, die Weihnachtszeit auch zur Besinnung zu nutzen, denn es ist immer gut sich zu besinnen.