
Als Politiker lese ich regelmäßig Gesetzesentwürfe und würde gerne so manches Mal fest in meine Schreibtischplatte beißen. Beim Entwurf für das Kinderförderungsgetz – liebevoll HessKiföG genannt – war es fast so weit. Wie kann man vorhaben, die Qualität der Kinderbetreuung in Hessen derartig zu verschlechtern? Strenggenommen kann ich froh sein, dass meine beiden Töchter die Kindergartenzeit lange hinter sich gelassen haben, sonst wäre die Tischplatte ernsthaft in Gefahr. Lassen Sie mich versuchen, Ihnen den Wahnsinn des HessKiföG zu verdeutlichen:
Wird dieses Gesetz so beschlossen, sind Kindergärten in Orten von der Größe meines Heimatdorfs Marjoß (oder kleiner) ernsthaft in Gefahr. Da hilft auch keine Klein-Kita-Pauschale des Landes! Nicht nur, dass der Entwurf eine gute pädagogische Arbeit nahezu unmöglich macht! Es ist geplant die Förderung durch Landes nicht mehr pro Gruppe, also 15 bis 25 über dreijährige Kinder, zu berechnen, sondern pro tatsächlich aufgenommen Kind. Wenn eine Gruppe nicht mehr mit der maximalen Größe von 25 Kindern ausgelastet ist, dann gibt’s weniger Geld vom Land Hessen. Sollen denn die Kinder wieder fortgeschickt werden, wenn eine Gruppe die 25 nicht voll bekommt? Da es aber offensichtlich momentan in Hessen modern ist, sämtliche staatliche Verantwortung in eine unternehmerische Schablone zu pressen, wird sich ein Dorf-Kindergarten nicht mehr ausreichend Fachkräfte für alle Kinder leisten können. Spätestens ab der zweiten Gruppe. Nun mag der ein oder andere Schlaumeier von der FDP sich gezwungen fühlen, Sachen wie „dass man sich diesen finanziellen Tatsachen bitteschön stellen soll“, „das sich eine Gruppe mit weniger als 25 Kindern nicht trägt“ und „deshalb einem größeren Kindergarten zugeführt werden müsse, damit es alles wieder schön wirtschaftlich ist“ zu sagen. Das ist weder eine Politik für unsere Kinder, noch ist es in irgendeiner Weise unternehmerisches Denken. Jedes noch so kleine Unternehmen wird kaputt gehen, wenn es sich nicht gut um seinen Nachwuchs kümmert. Und außerdem ist ein Kindergartenkind keine Ware die Geld einbringt oder mit Geld messbar ist! Basta.
Diese ganze Diskussion hat auch gleich ein Wort an Tageslicht gezerrt, dass ich vorsorglich schon mal an Unwort des Jahres 2013 anmelden möchte: „Kindergartenplatz-Sharing“. Hello Kids, welcome in Hessen. Nach dem HessKiföG-Entwurf dürfen sich mehrere Kinder einen Platz teilen – also Paul kommt von 7 bis 11 und Lena von 11 bis 14 Uhr in den Kindergarten. Verstehen Sie jetzt, warum es mir bei dieser Diskussion so schwer fällt sachlich zu bleiben? Das Thema Öffnungszeiten ist das nächste Übel. Hier spricht die Regierung von einem sogenannten Betreuungsmittelwert. Bedeutet: wenn Sie Ihr Kind für 25 Stunden anmelden, bezuschusst das Land nur 22,5 Stunden. Tägliche Öffnungszeit wären folglich 4,5 Stunden. Ein Narr, der das eine moderne Familienpolitik nennt?
Der Gesetzentwurf sieht auch vor, 20 Prozent der angestellten mit Nicht-Fachkräften zu besetzen. Das ist eine Endprofessionalisierung pädagogischer Arbeit. Je kleiner unsere Kinder sind, umso weniger will mancher in sie investieren. Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht vor, dass immer der schlechteste Wert gewählt werden muss, wenn man eine möglichst gute Refinanzierung haben will. Gruppengröße, Fachkraft/Kind-Relation, Öffnungszeiten, alles wird in ein betriebswirtschaftliches Korsett gezwängt. Dieser Gesetzentwurf ist schlecht! Aber was ist zu tun? Ich bin für eine drittel Finanzierung der Kindergärten von Bund, Land und der jeweiligen Kommune. Das HessKiföG darf in dieser Form gar nicht erst beschlossen werden. Mittlerweile sprechen sich über 10.000 Menschen in einer Onlinepetition gegen das HessKiföG auf www.openpetition.de aus. Ich bin der Meinung, dass auch unsere Füße gegen das Gesetz stimmen sollten. Bei einer Demonstration wäre ich glatt dabei. Das Thema wird das nächste Mal im April 2013 im Landtag behandelt. Beschlossen werden soll das Gesetz im Mai 2013. Ich werde dem so nicht zustimmen können!