
Das Grimmelshausen-Gymnasium in Gelnhausen und das Ulrich-von-Hutten-Gymnasium in Schlüchtern wechseln ebenso zurück zur sechsjährigen Mittelstufe (G9), wie die Genth-Schule in Wächtersbach. Sie flüchten nahezu vor G8 und haben damit ein klares Zeichen gesetzt. Von Anfang an haben Experten vor dem Turbo-Abitur gewarnt. Bereits 2007 erklärte in Fulda der Vorsitzende des Hessischen Philologenverbandes Knud Dittmann: „G8 ist Hokuspokus, seine Einführung eine krasse Fehlentscheidung.“ Er forderte die Abschaffung der verkürzten Schulzeit bis zum Abitur. Das Turbo-Abitur führe zu einem Qualitätsverlust und einer immensen Belastung der Gymnasiasten.
Eine Anhörung vor knapp 6 Monaten scheint dann endgültig die Wende eingeläutet zu haben. 90 Prozent der Eltern und nahezu alle Fachleute lehnten G8 öffentlich ab. Das sture „Nein“ der Landesregierung vom Turbo-Abi abzurücken, begann zu bröckeln. Ein erster Erfolg ist die Möglichkeit für die Gymnasien, zur sechsjährigen Mittelstufe zurückkehren zu dürfen. Kein Gymnasium in unserem Umkreis hat sich das zweimal sagen lassen. Ein Wehrmutstropfen gibt es jedoch noch: Die jetzigen 5. Klassen werden nicht zu G9 zurückkehren dürfen. Angeblich sei das nicht möglich, sagt die Landesregierung. Ich halte das für Ungerecht. Auch diese Jahrgänge sollen durch das zurückgewonnen Jahr von individuelleren Förderungen und mehr Wahlfreiheit als bislang profitieren.
An diesem Donnerstag darf ich eine Kollegin im Kulturpolitischen Ausschuss des Hessischen Landtags vertreten. Dieser ist für die Bildung in Hessen zuständig. Dort wollen wir vor allem über die Uplandschule in Willingen diskutieren. Kennen Sie dieses Gymnasium? Nein, Sie sollten sich aber den Namen merken. Vielleicht hat diese Schule die Wende für die Fünftklässler gebracht. Der Uplandschule wurde es vor wenigen Tagen vom Kultusministerium erlaubt, auch für die jetzt bestehenden 5. Klassen zu G9 zurück zu kehren. Das freut mich für die Schülerinnen und Schüler in Willingen. Aber was ist mit unseren Fünftklässlern zwischen Schlüchtern und Gelnhausen? Warum dürfen wir nicht vom offensichtlich besseren G9-System profitieren?
Die Landesregierung wird sich die Frage gefallen lassen müssen, auf welcher Rechtsgrundlage diese Genehmigung erfolgte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir das im Main-Kinzig-Kreis auch hinbekommen könnten. Und noch einmal: Was an der Uplandschule geht, muss an allen anderen Schulen auch möglich sein. In der Diskussion um das Turbo-Abitur hat die Landesregierung einen klaren Realitätsverlust erkennen lassen. Sie haben versucht unsere Kritik am Turbo-Abitur als einen Angriff aufs Gymnasium zu stilisieren. Heute steht fest: G8 belastet die Kinder und war von Anfang an falsch konzipiert.
Außerdem wollen wir in der Ausschusssitzung klipp und klare Antworten erhalten, wie die Landesregierung in Zukunft mit gleichlautenden Anliegen von Eltern umzugehen gedenkt? Das war doch in den vergangenen Monaten ein Trauerspiel: Ich kann mich sehr gut daran erinnert, wie einige Politiker der Regierungskoalition im Landtag über die Petition für die Rückkehr der 5. Klassen zu G9 reagierten. Von einer manipulierten Petition war die Rede. Über 20.000 Unterzeichner seien von uns ferngesteuert gewesen. Liebe Leserinnen und Leser, dieser Umgang mit Petitionen von Bürgerinnen und Bürgern ist eine Frechheit. Gleichlautende Reaktionen der Regierungskoalition gibt es aktuell übrigens zu einer Petition gegen einen Gesetzentwurf zum Hessischen Kinderförderungsgesetz (KiföG). Auch hier sollen wir wieder mehrere zehntausend Petitionsunterstützer manipuliert haben. Fest steht jedoch: Sollte dieser Entwurf im April im Landtag Gesetz werden, droht ein massiver Qualitätsverlust bei der frühkindlichen Bildung. Zu diesem Thema können Sie sich aber schon heute Abend selbst ein Bild zu machen, weil die evangelische Kirche in Kooperation mit den Kinzigtal-Nachrichten um 19.30 Uhr eine Podiumsdiskussion in der Katharinenkirche in Steinau veranstaltet.