
Wer liest gerne Gesetzestexte? Nun bin ich kein Jurist, sondern gelernter Schornsteinfegermeister. Dennoch muss ich als Landtagsabgeordneter Gesetzestexte lesen. Auffallend ist, dass es viele Gesetze gibt, die ihren Namen nicht verdienen. Aktuell kursiert ein Gesetzentwurf von CDU und FDP, mit dem hübschen Namen „Kinderförderungsgesetz“ (KiföG). Da stellt man sich doch ganz konkret darunter vor, dass hier ein Gesetz ist, das Kinder fördert. Korrekt müsste der Gesetzentwurf leider „Gesetz zur betriebswirtschaftlichen Optimierung der Kindertageseinrichtungen“ heißen, denn der Entwurf hat nur etwas mit BWL zu tun und nichts mit Pädagogik. Gegen das KiföG haben mittlerweile über 130.000 Menschen eine Petition unterzeichnet. In der nächsten Woche wollen CDU und FDP den Entwurf dennoch im Landtag durchpeitschen.
Ebenfalls wurde mit der schwarz-gelben Mehrheit kürzlich ein Gesetz verabschiedet, dass auf den freundlichen Namen „Wohnraumförderungsgesetz“ hört. Man sollte meinen, dass ein solches Gesetz den Menschen zugutekommt, die keinen Wohnraum haben. Falsch gedacht. Die Förderung privaten Wohnungsbaus erhält ausdrücklich Vorzug vor der Förderung von sozialem Wohnungsbau. Dabei ist es eine Frage des Respekts, dass Menschen von dem Geld, dass sie sich hart verdienen auch anständig leben können. Wir brauchen Wohnungen, die sich jeder leisten kann.
Nächster Fall: Das von CDU und FDP vorgelegte „Berufsanerkennungsgesetz“ untersagt es ausländischen Fachkräften eine Nachqualifikation. Warum aber sollte nicht jeder die Chance haben, sich doch noch für einen Beruf nachqualifizieren zu können und können wir uns einen Verzicht auf Fachkräfte noch leisten? Nein!
Ebenfalls verabschiedete die schwarzgelbe Regierungsmehrheit ein „Gleichberechtigungsgesetz“, bei dem die Frauenförderung von der Gnade der Behördenleitung abhängt. Obwohl wir zielstrebig auf einen Fachkräftemangel zusteuern, bleibt mit diesem Gesetz Frauenförderung Nebensache.
Das nächste Gesetz, das seinen Namen nicht verdient, ist das schwarz-gelbe „Betreuungs- und Pflegegesetz“. Hier hatte CDU und FDP nichts Besseres zu tun, als sämtlichen Beschäftigten in der Pflege zu unterstellen, sie übten Gewalt gegen Schutzbefohlene aus. Ja, es ist Aufgabe des Staates, Menschen die in Einrichtungen leben, vor Übergriffen zu schützen. Wer sich jedoch täglich in der Pflege engagiert, sollte nicht pauschal diffamiert werden und dieses Gesetz erweckt genau diesen Eindruck, obwohl es den wohlklingenden Namen „Betreuungs- und Pflegegesetz“ trägt.
Nächste Woche diskutieren wir im Landtag über den Gesetzentwurf zum neuen „Waldgesetz“. Als forstpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion grübele ich aktuell genau über diesen Gesetzentwurf. „Waldgesetz“, ein Name wie aus einem Zitat des in Schlüchtern geborenen Humanisten Ulrich von Huttens: „Oh Jahrhundert! Oh Waldgesetz: Es ist eine Lust, zu leben“ (Original: „Oh Wissenschaften“). Man sollte meinen, hier wurde ein Gesetzentwurf geschrieben, dass Wald und Bürgern zugutekommt. Pustekuchen. Die öffentliche Expertenanhörung hat deutlich gemacht, dass der Gemeinwohlgedanke in den Hintergrund geraten ist und einer reinen betriebswirtschaftlichen Ausrichtung weichen musste. Nach dem verkorksten Start mit einem monatelangen Streit über die Formulierungen zum Waldbetretungsrecht (Fahrradfahrer, Spaziergänger und Reiter werden sich erinnern), macht die Landesregierung beim Rest des Waldgesetzes gerade so weiter.
Ein Beispiel für einen guten Namen eines Gesetzes von CDU und FDP habe ich allerdings: „Schulverwaltungsorganisationsstrukturreformgesetz“. Kein Scherz! Ein Monsterwort für eine Monsterbehörde: dem neuen Landesschulamt. Unsere kleinen Schulämter werden in ihren Befugnissen beschnitten und eine neue Megabehörde ist entstanden. Wie durch eine zentrale Behörde die regionale Unterstützung vor Ort gestärkt werden soll, bleibt ein Geheimnis der Regierungskoalition. Ebenso das Geheimnis, wie die Landesregierung auf die Namen ihrer Gesetze kommt.