
Wer die Gelegenheit hat in diesen Tagen durch die langen Flure des Landtags zu schlendern, sollte sie wahrnehmen. Wie jedes Jahr im Sommer kann man in dem historischen Schloss Zeuge eines fast schon gespenstischen Anblicks werden. Wo sonst routinierte Betriebsamkeit herrscht, ist nun Ruhe. Nur hier und da wandeln vereinzelt Mitarbeiter der Fraktionen mit dünnen Akten unter dem Arm durch den Landtag. Ab Montag werden auch wir Landtagsabgeordneten nur noch sehr selten nach Wiesbaden fahren. Klar, denn die Hauptarbeit befindet sich in den Sommerferien in den Wahlkreisen. Wenn ich nun an meinem Schreibtisch im Landtag sitze und durch das Fenster auf den nahezu leeren Innenhof blicke, denke ich mir: „Mensch Heinz, kaum zu glauben, dass hier vor wenige Tagen noch so richtig Ramba Zamba war“. Noch bis Donnerstag fand die letzte Sitzungswoche vor dem Sommerloch statt. Wer sich noch etwas zu sagen hatte, sagte es jetzt.
Dabei fing die Plenarwoche am Dienstag mit einer unspektakulären Regierungserklärung der Ministerin für Wissenschaft und Kunst ungewöhnlich ruhig an. Der Mittwoch hatte dann mehr Pfeffer im Programm. Wir stritten uns um Ganztagsschulen. Es ist so eine Sache, wenn sich Eltern während der Kindergartenzeit an eine Ganztagsbetreuung der Kinder gewöhnt haben, um sich dann in der Grundschulzeit wieder umstellen zu müssen. Schlecht, wenn man Familie und Beruf irgendwie unter einen Hut bringen muss. Nur 22 Prozent der hessischen Grundschüler können von einem Ganztagsangebot profitieren. Das ist unter dem Bundesdurchschnitt. Die Landesregierung muss sich Schuh anziehen lassen, einen Mangel an Ganztagschulen verursacht zu haben.
Außerdem diskutierten wir über ein historisches Datum: dem 17. Juni 1953 – Volksaufstand in der DDR. „An diesem Tag wurden die Wurzeln gegründet, aus denen dann der Baum der Freiheit 1989 wachsen konnte.“ Diese schönen Worte sind nicht von mir, sondern vom Vizepräsident des Hessischen Landtags, Lothar Quanz. Er sprach im Landtag davon, dass wir dazu aufrufen sollen, uns für Frieden und Freiheit stark zu machen. Für diese Ziele müssen wir auch die Facebook-Generation erreichen. Er sagte: „Es muss uns gelingen, ein Bewusstsein zu vermitteln, dass die politische Freiheit die Voraussetzung ist für die Freiheit im Netz“. Recht hat er.
In einem ähnlichen Zusammenhang stand auch die Debatte um die Ausschreitungen bei den Blockupy-Protesten. Die Berichterstattung über verletzte Demonstrationsteilnehmer, über verletzte Polizeibeamte und in ihrer Berufsausübung beeinträchtigte Journalisten, aber auch den zu Recht besorgten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der umliegenden Banken haben dem Ansehen Hessens als weltoffenes Land massiv geschadet. Die Verantwortung hierfür liegt bei Innenminister Rhein.
Am Donnerstag brachte die CDU einen Antrag mit dem Titel: „Grüner Schatten über Hessens Wirtschaft – Al Wazir ernennt sich selbt“ ein. Es gibt keine grünen Schatten. Schatten sind schwarz. Überall. Nächstes Thema: Am späten Donnerstagabend hatte ich die Ehre, als waldpolitischer Sprecher der SPD zum Waldgesetz reden zu dürfen. Das war das peinliche Gesetz, in dem ursprünglich Fahrradfahrer nicht mehr im Wald fahren durften. Mit Mühe und Not hat sich Ministerin Puttrich durch ein langwieriges Verfahren durchgewurschtelt. Das Waldgesetz ist ein einziger Widerspruch zwischen der besonderen Gemeinwohlbedeutung und der reinen kommerziellen Bedeutung des Waldes. Der Wald wird auf einen bloßen Rohstofflieferanten degradiert. Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Die nächste Sitzung des Hessischen Landtags ist in der ersten Septemberwoche. Ich hoffe nur, dass sich alle meine Kolleginnen und Kollegen an die eigene Nase fassen und diese Sitzung nicht zu einem Wahlkampftheater verkommen lassen. Das haben die Hessen nicht verdient. Bevor im September nur gegenseitige Beschimpfungen und hohlen Parolen heraus kommen, lobe ich mir die leergefegten Flure des Landtags in den Sommerferien. Übrigens: auch in den Ferien sind Führungen im Hessischen Landtag möglich.