
Was verstehen Sie unter einer „freiwilligen Aufgabe“? Vielleicht kann man es sich ganz gut so vorstellen: Die freiwillige Aufgabe ist so etwas wie die kleine Schwester der „Pflichtaufgabe“. Während sie in Paris Literatur studiert und später einen englischen Opernsänger durchbrennt, heiratet die Pflichtaufgabe den Schulfreund und übernimmt anschließend den elterlichen Betrieb. Bitte behalten Sie jetzt genau dieses Bild vor Augen! Stellen Sie sich nun die Frage, was die freiwillige Aufgaben eines Landkreises, einer Gemeinde oder einer Stadt seien könnten und was die Pflichtaufgaben. Denn genau diese Frage gilt es in naher Zukunft in Hessen klar zu beantworten. Das hat etwas mit der Finanzierung der Aufgaben zu tun. Eine Pflichtaufgabe muss finanziert werden. Auch dann noch, wenn die Gemeinde hoch verschuldet ist. Ist jedoch dann eine Kommune verschuldet (so wie fast alle), dann genehmigt das Land die Finanzierung der freiwilligen Aufgaben wegen der Schuldenbremse nicht mehr. Und wie immer, wenn es um Geld geht, streitet man sich wie die Kesselflicker.
Besonders hohe Wellen hat in den letzten Tagen die Sportförderung geschlagen. Hier ist man sich offensichtlich selbst in der Landesregierung nicht einig, ob Sport Pflicht oder Kür ist. Was denken Sie? Immerhin ist Sport in der Hessischen Verfassung als Staatsziel genannt. Jeder Sportverein im Bergwinkel kann ein Lied davon singen, dass Sport eine Pflichtaufgabe ist. Das hat der Hessische Minister des Innern und Sports Peter Beuth bei einem Gespräch mit dem Präsidenten des Landessportbundes Dr. Rolf Müller auch unterstrichen. Beuth sagte, die Förderung des Sports sei nicht als freiwillige Leistung anzusehen. Das ist unmissverständlich. Jedoch hätte er sich lieber vorher mit Finanzminister Schäfer unterhalten, der Sportförderung zu 100% als freiwillige Leistung sieht. Um das Ganze abzurunden hat der CDU-Landtagsabgeordnete Heiko Kasseckert in einem Gespräch mit Hanaus OB Claus Kaminsky erklärt: „Die Regelung würde unter anderem die Integration durch Sport und ehrenamtliches Engagement konterkarieren“. Über die Parteigrenzen hinweg werden wir in nächster Zeit offensichtlich eine emotionale Debatte führen.
Ebenfalls eine freiwillige Leistung ist auch die Kulturförderung. Besonders bei dieser Aufgabe geht es um eine Grundsatzentscheidung: Was ist uns Kultur wert? Wir befinden uns hier nicht in einer Metropole, in der man ein Theater vielleicht noch mit viel Mühe ohne Zuschüsse führen kann. Oder schauen wir uns das Brüder-Grimm-Haus in Steinau an. Darf man ein solches Kulturgut überhaupt als freiwillige Leistung sehen oder sind wir nicht eher gesellschaftlich verpflichtet, diesen Originalschauplatz der Brüder Grimm mindestens in seiner jetzigen Form zu bewahren, eher noch weiter aufzuwerten?
Was ich auch nicht verstehen kann ist, warum die Wirtschaftsförderung als freiwillige Leistung geführt wird. Auf der einen Seite sollen die Kommunen mehr Geld einnehmen (kein Bundesland außer NRW verlangt seinen Bürgern mehr Geld ab als Hessen), zum anderen genehmigt das Land keine vernünftige Wirtschaftsförderung. Zumal auch das Land von jedem Unternehmen profitiert, das sich bei uns ansiedelt.
Nach einem Urteil des Hessischen Staatsgerichtshofes muss der Kommunale Finanzausgleich – also die Finanzierung der Kommunen durch das Land – bis 2016 neu geregelt werden. Ich plädiere dafür, dass dies nicht nach eigenem Gusto geschehen sollte, sondern gemeinsam erarbeitet wird. Land, Landkreise, Städte und Gemeinden gehören an einen Tisch. Sie sind keine Recheneinheit, sondern Gemeinwesen. Die Neugestaltung des Kommunalen Finanzausgleichs darf nicht dazu führen, dass das Land die Städte und Gemeinden in eine Lage treibt, in der diese ihre freiwilligen Leistungen gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern gänzlich einstellt oder ihre Gebühren in schwindelnde Höhen schrauben müssen. Unsere Kommunen sind dafür zu vielfältig, als das man pauschal sagen könnte, was davon für den einen Ort eine Pflichtaufgabe und was die kleine Schwester ist.