Ausschuss hat kein Ruhmesblatt verdient

Heinz Lotz, Mitglied des Hessischen Landtags

Der Hessische NSU-Untersuchungsausschuss hat kein Ruhmesblatt verdient. Ebenso wenig der daraus resultierende Gesetzentwurf der schwarz-grünen Landesregierung zum Verfassungsschutz und zur parlamentarischen Kontrolle. Dabei sollte man doch meinen, dass man aus den NSU-Verbrechen und den widersprüchlichen Aussagen im Untersuchungsausschuss irgendeine Lehre gezogen hätte. Aber im Gegenteil: CDU und Grüne lassen nichts unversucht den Untersuchungsausschuss zu behindern. Von Anfang an! So wurde er gegen ihre Stimmen von der Opposition mehr oder weniger erzwungen! Der Kasseler Mordfall sei „ausermittelt“, heißt es von CDU und Grüne. Das kann doch nicht sein! Die offensichtlichen Mängel bei der Zusammenarbeit der Behörden nach dem Anschlag auf den Deutschtürken Halit Yozgat sind überhaupt nicht geklärt. Erst am Montag bestätigte Bundesanwalt Herbert Diemer, dass der Verfassungsschützer Andreas Temme während der Tat am Tatort war. Auch hier sind die Gründe dafür nicht geklärt!

Warum ist es in den Landtagen in Thüringen, Sachsen, Bayern oder auch im Bund möglich, einstimmig diesen furchtbaren Verbrechen in einem geregelten Untersuchungsausschuss nachzugehen, aber nicht in Hessen? CDU und Grüne machen mit ihrer Strategie, zahlreiche Zeugen zu nicht relevanten Themen zu benennen, weiterhin deutlich, dass kein echtes Aufklärungsinteresse besteht. Außer dem Bundesanwalt konnten weitere Zeugen am Montag keinen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung leisten. Teilweise hatten sie mit den Mordfällen schlichtweg nichts zu tun. Ein weiterer Zeuge, ein ehemaliger Mitarbeiter des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, hatte keine Aussagegenehmigung erhalten. Nach der schriftlichen Aussagegenehmigung bestand keine Möglichkeit, diesen wichtigen Zeugen in nichtöffentlicher Sitzung zu geheimhaltungsbedürftigen Kenntnissen zu befragen. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unzulässig und schränkt dadurch unsere parlamentarische Aufklärungsarbeit erheblich ein.

Wie abenteuerlich die Zustände beim Hessischen Verfassungsschutz sind, kann man klar bei der Befragung des ehemaligen Geheimschutzbeauftragten Hess erkennen. Zwei Wochen nach dem Mord an Halit Yozgat war er sich sicher, dass Andreas Temme als Täter nicht in Betracht käme. Dabei stützt er sich auf „so ein Bauchgefühl“. Nach Bauch kommt Kopf, denn Hess kann sich an ein Telefonat mit Herrn Temme nicht mehr erinnern. Die Vernehmung dieses Zeugen malt ein sehr beunruhigendes Bild der hessischen Sicherheitsbehörden. Auf völliges Unverständnis stößt bei mir übrigens die Haltung des damaligen hessischen Innenministers Volker Bouffier. Nach den Ermittlungen 2006 verfügte er für die von Temme betreuten V-Leuten Quellenschutz.

Es braucht dringend neue Regeln für den Verfassungsschutz. Die Landesregierung hat vergangene Woche erste Pläne für einen Gesetzentwurf zum Verfassungsschutz und zur parlamentarischen Kontrolle vorgelegt. Das aber nur, weil wir dies mit einem Berichtsantrag mehr oder weniger erzwungen haben. Ein Grund zum Jubeln sind die Pläne jedoch leider nicht, denn der Entwurf enthält so gut wie nichts Neues. Überwiegend sind Normen umgestellt worden. Die einzige auffällige inhaltliche Änderung: Abgeordnete können sich in Zukunft im parlamentarischen Kontrollgremium keine Notizen mehr machen. Dringend gebraucht hätten wir jedoch eine weitreichende Änderung für die Auswahl und Führung von V-Männern. Da hätte sich die Landesregierung sehr gut an dem derzeit in Niedersachsen diskutierten Gesetzentwurf ein Beispiel nehmen können. Die dortige rot-grüne Landesregierung hat wesentlich klarere und restriktive gesetzliche Regelungen verankert. Zudem müssen wir unbedingt die parlamentarische Kontrolle durch die zuständige Kommission stärken. Wirklich stärken! Das fängt bei einem Direktbefragungsrecht an, damit Mitarbeiter des Amtes von der Kommission oder einer Minderheit der Kommission befragt werden könnten. So könnte man – zum Beispiel – Herrn Temme direkt befragen, warum er sich „zufällig“ zur Tatzeit am Tatort befand.