Heinz Lotz: „Welche Bedeutung kommt dem Hessentag noch zu?“

Heinz Lotz, Mitglied des Hessischen Landtags

Der Hessentag ist aktueller denn je! Nicht weil Rockerlegende Alice Cooper oder Musikantenstadl-Dauergast Andreas Gabalier dort auftreten. Nein, es geht um den Zusammenhalt in Hessen. Als der damalige Ministerpräsident Georg August Zinn vor 56 Jahren den Hessentag ins Leben rief, hatte er genau das im Sinn. Zum einen wollte er Alteingesessenen und Zuwanderer zusammenzubringen. Er hat den Menschen, die Zuflucht in Hessen suchten, das Gefühl und die Gewissheit gegeben, bei uns willkommen zu sein. Das Motto Zinns muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: „Hesse ist, wer Hesse sein will“. Melden Sie sich mal mit diesem Ausspruch auf einen Parteitag der Hessen-AfD zu Wort. Sie werden ein Feuerwerk der unterschiedlichsten Emotionen entfachen.

Quatsch beiseite: Georg August Zinn forderte von den Bürgern in unserem Land Solidarität ein. Das funktioniert heute noch. So denke ich mit Stolz an die tausenden ehrenamtlichen Helfern, die sich in der aktuellen Flüchtlingssituation engagieren. Stellvertretend möchte ich an dieser Stelle die Gruppe Ehrenamtlicher aus meinem Heimatort Marjoß lobend erwähnen, die ohne viel Aufsehen, aber dafür umso beherzter anpacken. Diese Mentalität, diese Weltoffenheit der Hessen, hat unser Land groß gemacht. Nicht zuletzt deshalb wurde der Begriff „Hessen vorn“ über die Landesgrenzen hinaus zum Synonym für eine Erfolgsgeschichte.

Ein Gefühl für eine neue Heimat sollte der Hessentag bringen. Das galt den zahlreichen Flüchtlingen und Heimatvertriebenen, aber auch der Bevölkerung. Denn auch diese mussten sich erst noch mit Hessen anfreunden. Erst kurz zuvor wurden wir von den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs aus mehreren Gebieten in ein Bundesland Hessen zusammengeführt. Heute kaum mehr vorstellbar, aber es dauerte Jahrzehnte, bis wir Hessen zu einer gemeinsamen neuen Identität fanden.

Das gelang übrigens ohne unsere ursprüngliche Identität aufgeben zu müssen. Der Hessentag dient seit je her dem Brauchtum. Noch heute verbindet man dieses Fest mit den zahlreichen Trachten – seien es Trachten der jeweiligen Region oder auch der nach 1945 zugewanderten Neubürgern.

Es hat gute Gründe, warum der Hessentag jedes Jahr an einem anderen Ort stattfindet. Und auch dabei hatte Georg August Zinn etwas im Sinn: Mit der Präsentation der verschiedensten Regionen wollte er für das ursozialdemokratische Ziel gleichwerter Lebensbedingungen werben. Besonders für uns Menschen, die im ländlichen Raum leben, ist das nach wie vor eine Mammutaufgabe. Bei dem Getöse, das die Rhein-Main-Region verursacht, kann es schnell passieren, dass die ruhigeren Dörfer zu kurz kommen. Der Hessentag sollte symbolisieren, dass alle Bürger den gleichen Anspruch auf Wertschätzung haben, egal ob sie auf dem Land oder in der Stadt leben. Wenn ich dann hingegen die eine oder andere Studie anschaue – wie zuletzt 2015 von der Bertelsmann-Stiftung – kann man fast das Gefühl bekommen, der ländliche Raum sei dem Untergang geweiht. Angeblich leere und unbewohnte Natur und da, wo noch paar heruntergekommen Häuser stehen, wohnen nur alte Leute. Das stimmt so nicht! Der ländliche Raum wird seit einem guten Jahrzehnt schlecht gemacht und krank geredet. Wir lassen uns von Metropol-Lobbyisten um den Finger wickeln und lesen mit offenen Mündern Prognosen und Analysen. Solche Studien wollen nur, dass weniger in den ländlichen Raum – in unsere Dörfer – investiert wird und mehr in die großen Städte.
Der Hessentag findet aus guten Gründen nur selten in größeren Städten statt. Denn so haben auch kleinere Regionen die Möglichkeit, für sich zu werben. Zu zeigen, dass die Lebensqualität hoch ist, die Arbeitslosigkeit geringer und die Menschen nachgewiesen glücklicher sind. Gleichwertige Lebensbedingungen sind der Garant für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Hessen ist vielfältig und Hesse ist, wer Hesse sein will. Das sind die besten Gründe für das älteste und größte Landesfest in Deutschland: Der Hessentag! Ab 20. Mai in Herborn.